Ausstellungen. Innenansichten eines Künstlers

Oder: Was meine Ausstellungen mit Menschen machen — und mit mir

Es gibt Momente, die bleiben im Kopf, so positiv, so nah und vor allem so ehrlich. Genau so fühlen sich Ausstellungen für mich an. Und die Reaktion der Menschen: man sieht es in den Gesichtern. 


Der Moment des Stillwerdens

Bei meinen Ausstellungen erlebe ich oft dasselbe: meine Gäste bleiben stehen und wechseln in einen ruhigeren Modus. Spannend zu sehen. Der Blick wird langsamer, Gedanken ordnen sich. Noch bevor Worte entstehen, passiert etwas.

Was mich dabei fasziniert, ist die Haltung meiner Besucher, und ja es sind meine Gäste. Nicht das Wissen über Kunst entscheidet, sondern die Bereitschaft sich einzulassen. Letztens stellte sich eine Frau vor ein Werk von mir und sagte: „Ich weiß nicht, warum, aber ich kriege Gänsehaut.“ Ein Mann meinte: „Ich versuche gerade rauszufinden, was mich da stört… oder ob es mich gerade deswegen packt.“ Perfekter Moment. Kunst ist Reibung, nicht nur Harmonie.

Manche Besucherinnen und Besucher erzählen sofort, was das Bild bei ihnen auslöst. Andere schweigen lang, bevor sie dann mit einem Satz alles sagen. Bei Open Westend kam eine Betrachterin nach zehn Minuten Stille zu mir und sagte leise: „Ich erinnere mich plötzlich an etwas, das ich vergessen hatte.“ Dann lächelte sie, bedankte sich und ging. Keine Analyse, keine Erklärung — pure Resonanz.

Energie im Raum

Alle meine Ausstellungen fühlen sich für mich an wie ein gemeinsames Energiefeld. Der Raum füllt sich nicht nur mit Stimmen, sondern mit Offenheit. Man spürt plötzlich, wie die Stimmung sich verdichtet. Bei der Langen Kunstnacht gingen die Leute ein und aus und trotzdem fühlte es sich innen an wie ein eigener Kosmos. Ein warmer, heller, vibrierender Kosmos. Volle Räume, volle Herzen.

Die Gespräche sind positiv. Neugier ist die schönste Ressource. Viele Gäste fragen nach meiner Idee für das Bild, nach der Technik. Was ich immer sehr spannend finde: manche Betrachter sehen ihre eigenen Themen im Bild und das, was sie berührt.

Natürlich gibt es auch die, die hineinschauen, einmal kurz abscannen und dann weitergehen. Das ist absolut okay. Kunst ist kein Pflichtprogramm. Danke für die Ehrlichkeit! Kein Bild will jedem gefallen. Es reicht, wenn es einen erreicht. Oder zwei. Oder einen erst zwei Monate später im Kopf wieder einholt. Das ist das Spiel.

Für mich persönlich passiert bei Ausstellungen etwas Eigenes. Ich sehe meine Arbeiten mit den Augen der anderen wieder neu. Ich erkenne, welche Werke sofort magnetisch wirken und welche langsam „wachsen“. Ich spüre, welche Titel etwas öffnen. Inszenierung spielt dabei auch eine supergroße Rolle. (aber dazu in einem anderen Blog bald mehr.)

Postkarten, Kinder & spannende Erkenntnisse

In Postkartenständern sind immer einige Motive meiner Bilder zum Mitnehmen, einfach so. Ich freue mich über das Interesse, wenn meine Gäste die Postkarten mitnehmen, die gehen weg wie warme Semmeln… das genau ist es! Manche greifen gezielt nach bestimmten Bildern. Andere nehmen gleich mehrere mit für Freundinnen oder für den Kühlschrank. Das sind Berührungen in Papierform.

Und dann die Kinder. Meine Kunst war für sie zunächst sekundär interessant. Das Glas mit Süßigkeiten war es…. Es stand eigentlich nur da, weil ich dachte: Kinder brauchen ein paar Lollies, bei zu viel Kunst. Es war mehr als ein Grund. Kinder kamen, griffen zu, freuten sich und schauten sich dann auch die Bilder an. Manche zeigten mit dem Finger, manche stellten Fragen, die kein Erwachsener stellen würde.

Mein Wow Effekt 

All diese Begegnungen machen etwas mit mir. Ich gehe nach solchen Tagen erfüllt nach Hause. Ich trage die Stimmen mit. Ich trage die Blicke mit. Vor allem: Ich trage die Energie mit. Danach male ich anders. Mutiger. Freier. Bewusster. Nicht für den Applaus, sondern für genau diese Resonanzräume.

Ausstellungen sind keine Präsentationen. Ausstellungen sind Begegnungen. Live im Jetzt. Zwischen Bildern und Menschen. Zwischen Menschen und Menschen. Zwischen dem, was jemand gedacht hat — und dem, was jemand bald fühlen wird. Am Ende bleibt jedes Mal dieselbe Erkenntnis: Kunst ist nicht fertig, wenn die Farbe trocken ist. Sie ist erst fertig, wenn jemand sie bewusst wahr nimmt. Und dann beginnt sie erst richtig zu wirken. Und das ist mein Wow Effekt.

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